Wie ratsam ist «Loud Quitting», um mehr Lohn zu verlangen? - jobmittelland.ch
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Wie ratsam ist «Loud Quitting», um mehr Lohn zu verlangen?

Veröffentlicht am 29.06.2023 von Marcel Penn, Marketing- und Verkaufsleiter Classifieds - Bildquelle: Getty Images
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Der aktuell herrschende Fachkräftemangel könnte in der Schweiz ein günstiger Nährboden sein, um bei der Chefin endlich die verdiente Gehaltserhöhung oder die ersehnte Beförderung durchzusetzen. Das Mittel dazu: «Loud Quitting» - die Drohung zu Kündigen. Alles gefilmt für TikTok und Co.
Drohung als Druckmittel

«Loud Quitting» kommt aus dem Amerikanischen. Es steht für eine relativ junge und spezielle Form von Verhandlungen in der Berufswelt, um persönliche Vorteile durch das Androhen einer Kündigung zu erwirken. Dabei kann es um Lohnerhöhungen, einen besseren Job oder auch nur um ein sonnigeres Büro gehen. Das allein ist keine neue Erscheinung. Solche Drohmanöver ohne echte Kündigungsabsicht sind altbekannt. Neu ist nur, dass die Arbeitnehmer ihr Vorgehen per Video auf den sozialen Medien veröffentlichen.

Das nennt sich «Loud Quitting». Es generiert nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch Nachahmer. So entsteht ein Trend. Erst recht, wenn die Medien darüber berichten. Das Thema ist unterdessen auch in der Schweiz angekommen. Wie sehr es hier Teil künftiger Arbeitskultur wird, steht noch in den Sternen. Die weitere wirtschaftliche Entwicklung dürfte es zeigen. Auf grosse Gegenliebe bei den Arbeitgebern stösst die Taktik gewiss nicht.

Jobvermittler und Personalfachleute beurteilen «Loud Quitting» wenig überraschend kritisch und
warnen davor. Das ist verständlich. Wer mag es schon als Vorgesetzter, durch Drohung oder
Erpressung zu irgendwelchen Zugeständnissen genötigt zu werden? Zu bedenken ist ferner, dass
solche Internet-Videos dereinst ein ungünstiges Licht auf deren Urheber werfen könnten.

Wer steckt dahinter?

Das Phänomen des «Loud Quitting» ist bei aller Kritik dennoch interessant. Es wird gewiss noch
wissenschaftlich erforscht werden. Beim grossen Aderlass in der US-amerikanischen Tech-Branche
während der letzten zwölf Monate stellten Google, Facebook, Twitter und Amazon mehrere Tausend ihrer IT-Spezialisten auf die Strasse. Das sorgte in der Szene für viel Ärger. Erst recht, als Twitter schliesslich wieder etliche von Ihnen zurückholen musste, damit die Plattform am Laufen blieb.

Etliche der Betroffenen stellten nun zusätzliche Forderungen und scheuten sich nicht, als «Loud
Quitter» zu agieren. Für nicht Wenige offenbar mit Erfolg. Es sind mehrheitlich Arbeitnehmende mit Jahrgang 1990 und jünger. Also Millennials unter 40 und Zoomer (Gen Z), die das analoge Zeitalter bloss noch vom Hörensagen her kennen, selbst aber von klein auf mit Computern und Mobiltelefonen aufgewachsen sind.

Ohne Plan B: Hände weg

Spätestens an der Stelle ist klar, dass ein «Loud Quitting» nicht in jeder Branche und für alle
Arbeitnehmenden aussichtsreich ist. Je tiefer die berufliche Stellung, Qualifikation und der Lohn,
umso geringer die Chancen, mit dieser Taktik etwas zu erreichen. Selbst wenn die Forderungen noch so gerechtfertigt sind. Die Verkäuferin im Kleidershop, der Zeitungsausträger und die Warenbewirtschafter im Supermarkt dürften mit dieser Methode einen schweren Stand haben.

Wer es trotzdem mit «Loud Quitting» versuchen will, sollte sich gut vorbereiten. Die Erfolgschancen sind vorher realistisch auszuloten. Der eigene Marktwert muss bekannt sein. Je höher, je besser. Auch die Frage ist zu beantworten, welchen Nutzen das Unternehmen durch einen hat. Dieses Wissen stärkt die eigene Verhandlungsposition. Doch auch in der Arbeitswelt gilt: Unersetzlich ist niemand. Sollte es also zur Kündigung kommen, darf ein Plan B nicht fehlen.