Veröffentlicht am 25.08.2025 von Fredy Pillinger, Verkaufsleiter - Bildquelle: Getty Images
Ein Arbeitszeugnis soll wahr und wohlwollend sein – so steht es auch im Schweizer Obligationenrecht. Doch was auf den ersten Blick freundlich klingt, kann in der Personalabteilung ganz anders verstanden werden. Zwischen den Zeilen stehen manchmal Formulierungen, die auf Schwächen oder Konflikte hinweisen – ganz ohne offene Kritik. Wer sich bewirbt, sollte das erkennen können.
Schöne Worte mit Schattenseiten
Viele problematische Aussagen tarnen sich als neutrale oder gar positive Formulierungen. Ein Beispiel:
- „Er brachte sich im Rahmen seiner Möglichkeiten ein.“
→ klingt höflich, bedeutet aber oft: unmotiviert oder überfordert
- „Sie erfüllte die Aufgaben zur Zufriedenheit.“
→ wird oft als Note 4 interpretiert – unterdurchschnittlich
Auch das Fehlen von Standards (z. B. Dank, Zukunftswünsche, „wir bedauern das Ausscheiden“) ist auffällig – besonders in der Schlussformel.
Diese Abschnitte solltest du prüfen
Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis enthält in der Regel:
- Leistungsbeurteilung
Achte auf Worte wie stets, vollste Zufriedenheit, engagiert – oder eben das Fehlen solcher Begriffe.
- Verhaltensbeurteilung
Wird das Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Team und Kundschaft erwähnt – oder elegant weggelassen?
- Schlussformel
Ein wohlwollender Abschied ist ein gutes Zeichen. Kein Gruss, kein Dank? Dann lohnt sich Nachfragen.
Was darf nicht im Zeugnis stehen?
In der Schweiz dürfen persönliche oder diskriminierende Angaben
nicht aufgeführt werden – ausser du verlangst es ausdrücklich. Dazu gehören zum Beispiel:
- Krankheiten, Schwangerschaft, Elternzeit
- politische oder religiöse Zugehörigkeit
- Lohn, Nebentätigkeiten, Kündigungsgründe
Negative Ereignisse wie Diebstahl oder grobe Pflichtverletzungen dürfen nur erwähnt werden, wenn sie
relevant, belegbar und im Interesse zukünftiger Arbeitgeber sind.
So gehst du bei Unklarheiten vor
Wenn du ein Zeugnis bekommst, das für dich negativ wirkt oder unklare Formulierungen enthält, hast du Rechte:
- Verlange eine Überarbeitung, wenn Aussagen missverständlich, lückenhaft oder falsch sind.
- Formuliere eigene Vorschläge, wie etwas besser oder klarer gesagt werden könnte.
- Falls nötig: Ziehe juristische Unterstützung bei, zum Beispiel von einem Rechtsberatungsdienst oder einer Fachstelle für Arbeitsrecht.
Ein Zeugnis begleitet dich durch viele Bewerbungen – deshalb lohnt es sich, es kritisch zu prüfen und bei Bedarf aktiv zu werden.
Fazit
Versteckte Codes, ausgelassene Standards oder auffällige Formulierungen können dein Arbeitszeugnis mehr beeinflussen, als du denkst. Nimm dir Zeit zur Prüfung – und sorge dafür, dass deine berufliche Leistung fair und klar dargestellt wird.